/ Biographie / Hauptberuflicher DJ

Drei Wochen später bekam ich im damals brandneuen Fun Garbsen einen Probetermin im Lollipop, der positiv verlief und ich somit ein neues Engagement hatte. Es war ein Sprung der Extreme. Bis dahin war ich Tanztreff-DJ mit seriös-gepflegter Moderation und nun wurde u.a. von mir gefordert in einer mir anfänglich abstossenden primitiv-animativen Art Party, wie auf dem Ballermann zu zelebrieren. Ich hatte starke Schwierigkeiten mit diesem Stil und wurde auch schnell in die ‑ zweite Reihe versetzt. Mit der Zeit erkannte ich aber, dass das gesamte Fun-Konzept und dessen professionelle Umsetzung alles sprengte, was ich bis dahin im Discothekengeschäft kannte. Ich hatte nach dem Nanu keine Steigerung mehr erwartet und nun kam ich mir vor, wie damals als Anfänger im Papillon.

Der Laden lief von Mittwochs bis Sonntag mit einem unglaublich hohem Gästeaufkommen. Ich bekam zu der Zeit nur spärlich Termine an Tagen, wo die Haupt-DJs keine Lust hatten. Um mich während dieser Ersatzbankzeiten über Wasser zu halten, nahm ich über eine Agentur Moderationsaufträge für Messen, Präsentationen und Veranstaltungen an. Ich arbeitete an meinen wenigen DJ-Terminen hart daran, mich weiter zu entwickeln und obwohl seitens des Betreibers wenig Hoffnung in mich gesetzt wurde, erreichte ich mein Ziel über 1,5 Jahre, später im Fun Laatzen.

Wie gesagt, ich war Ende 1996 immer noch zweite Wahl, aber unsere erste Garde versagte in Laatzen komplett. Das Filou war ein schwieriger Laden, weil die Leute nicht wie in Garbsen gewohnt, sofort nach dem Starten der Musik in Massen auf die Tanzfläche stürmten, sondern erst eine gewisse Anlaufzeit brauchen. Unsere DJs fühlten sich dadurch irritiert. Sie resignierten sehr schnell und versuchten gegen das Konzept harte Discoscheiben im Tanzcafe unterzubringen, um überhaupt etwas zu erreichen. Ausserdem lief es in den ersten Wochen nicht gut, weil es versäumt wurde die Neueröffnung ausreichend zu bewerben. Man hatte sich wohl gedacht, daß das Fun Laatzen genauso schnell einschlagen würde, wie das Fun Garbsen zwei Jahren zuvor.

Jedenfalls bekam ich eher zufällig drei Wochen nach der Eröffnung und nachdem fast alle aus Garbsen etablierten DJs sich die Zähne ausgebissen hatten auch einen Termin auf einem Samstag. Der Abend lief besser als erwartet. Ich weiss im Nachhinein nicht, ob ich nur Glück hatte, oder es die Tatsache war, dass ich verbissen um die Leute kämpfte. Es war jedenfalls nicht der grosse Knall, aber die Betriebsleitung war durch meine Zähigkeit das Konzept, aller Widrigkeiten zum Trotz, durchzuziehen beeindruckt.

Neugierig gab man mir dort mehr Termine. Ich erkannte bald, was in Laatzen los war und stellte mich darauf ein. Die Schlagerpartywelle hatte die Discotheken erreicht und da dieser Laden neu war und es somit noch keine etablierten Stammgäste wie in Garbsen gab, die sich an ein Musikprogramm gewöhnt hatten, konnte man über diese Schiene die Leute aus der Reserve holen. Fakt war: Wenn man dran blieb und die ersten 2-3 schwierigen Stunden musikalisch geschickt aufbaute war ab ca. 1:00 Uhr plötzlich eine Party im Laden, die ihresgleiches suchte. Egal ob mit 50 oder 1000 Gäste. Der ‑ grosse Knall kam schleichend, fast unbemerkt und nach und nach stiegen die Gästezahlen. Erst Samstags, dann Freitags und irgendwann im Sommer 1997 stand eines Donnerstags Manfred von der Betriebssleitung neben mir. Wir sahen uns nur an und bemerkten beide zeitgleich: ‑ Ganz schön voll hier!. Da wurde uns erst bewusst, dass wir es geschafft hatten.

In den darauf folgenden zwei Jahren waren wir die Könige von Laatzen. Kein Konkurrenzbetrieb hatte auch nur den Hauch einer Chance gegen uns. 1998 kam noch das Fun Hameln dazu, welches sofort ähnlich gut wie das Fun Garbsen anlief. Ich wurde als Chef-DJ zuständig für gewisse administrative Funktionen, wie Personalplanung, Plattenbemusterung, Beurteilung von Bewerbern, Einarbeitung usw... Und ein weiterer bedeutender Schritt fand statt. Ich hatte nun mittlerweile über 10 Jahre als Tanzlokal/Party-DJ gearbeitet und wollte mich schon länger in Richtung Disco weiterentwickeln.

September 1998 kam endlich die lang ersehnte Gelegenheit an einem Donnerstag vertretungsweise den 80ger-Abend in Garbsen im Disco-Bereich zu machen. Zugetraut hat es mir mal wieder keiner, denn ich musste 3 Jahre auf so eine Gelegenheit warten. Aber so gegen zwei Uhr steht plötzlich der Betreiber wippend neben mir und meint: ‑ Hey Alter... Dein Stil gefällt mir! - Ich wusste garnicht dass Du das auch drauf hast!. Ich hatte von nun also ein Fuß in der Disco. Zwar nur am 80ger Donnerstag aber immerhin.

Es lief blendend für uns alle. Mittlerweile war ich auch seit 1995 hauptberuflicher DJ geworden und verdiente gutes Geld. Es gab in Deutschland und Österreich über 50 Funs. Man hatte dadurch Gelegenheiten zum DJ-Austausch. So bin ich u.a. nach Emden und Berlin gekommen.

Aber wenn man sonst keine Probleme hat schafft man sich welche. 1999 überwarfen sich die Vorstandsmitglieder unserer Dachorganisation ‑ Gastronomie und Tanz (GT), weil ein Teil des Vorstandes neue Discotheken zukünftig nicht mehr basierend auf das Franchise-Modell eröffnen wollte. Ein Teil der Gründungsmitglieder, die damit nicht einverstanden waren verliessen GT und gründeten ein Jahr später MPC, die heute ‑ Mausefallen und ‑ Music-Parks nach eben diesem Franchise-Modell weiter betreiben. Diese Trennung betrachte ich als grossen Fehler, denn zurück blieben die Systematiker, Buchhalter und Theoretiker ohne direkte gastronomische Arbeitserfahrung. Der überwältigende Erfolg der Funs lagt meiner Meinung nach u.a. in der gelungenen Symbiose zwischen systematischer Analytik und gastronomischen Fachverständnis. Und natürlich der Umstand, das durch das Frenchising ein Betreiber vor Ort durch das unternehmerisches Risiko mehr Motivation für sein Geschäft aufbringt als ein angestellter Betriebsleiter, der lediglich koordinative Aufgaben auszuführen hat. Das nur am Rande. 1999 eröffneten mit dem neuen Geschäftsmodell Fun/Lollipops in Bad Oeynhausen, Wilhelmshaven, Stade, Bremerhaven und viele mehr.

Für mich war diese Entwicklung anfangs noch positiv, denn da die Betriebsleiter sich noch aus mir bekannten Leuten rekrutierten, bekam ich in der Anfangsphase dieser Läden Gelegenheit mitzuwirken z.B. Neue DJ einzuarbeiten und natürlich selber aufzulegen. Das Jahr 2000 war das Jahr der Expo in Hannover und der Anfang vom Ende meiner ‑ Fun-Karriere. GT hatte sich das ehrgeizige Ziel gesetzt die ‑ modernste Discothek Europas auf dem Expo-Gelände zu eröffnen. Ein zukunftweisendes Referenzobjekt für eine neue Generation von Diskotheken bestehend aus einem grossen Saal mit multimedialen 360°-Projektionsleinwänden und einem kleineren Club-Bereich. Während der Expo sollte das Fun2000 jeden Tag geöffnet haben und ich hatte das Glück die Eröffnungsveranstaltung im Club durchzuführen. Für mich war das der markanteste Punkt in meiner DJ-Karriere. Ich, der als kleiner DJ in einem Grillrestaurand in der Altstadt nach 3 Monaten rausgeflogen war stand 12 Jahre später bei der Eröffnung einer Weltaustellung in einer Discothek, wo nach Werbeaussagen ‑ die besten DJs der Welt auflegten.

Aber wie so oft. Der Schein trügt und erst recht Werbeaussagen! Ich habe diesen Auftrag deshalb bekommen, weil GT für den Club anfangs absolut kein Konzept parat hatte. Sie wussten einfach nicht, was da laufen sollte. Als grobe Vorgabe geisterte zwar Black und House herum aber man konnte (oder wollte) sich nicht festlegen.. Die damalige für das FUN 2000 vorgesehene Betriebsleiterin Olympia Kiss, die ich schon aus dem Fun Laatzen kennen und schätzen gelernt und diesbezüglich viel zu verdanken habe, kannte mich als Allrounder und schlug dem Vorstand vor, dass wenn die Konzeptionierung derart ungewiss ist, man jemanden hinstellen sollte, der flexibel reagieren kann. So bekam ich also diesen Auftrag. Nebenbei ist noch zu erwähnen, dass Olympia irgendwann von dem Planungschaos die Nase voll hatte, und einen Monat vor der Eröffnung kündigte. Viele andere gute Mitarbeiter im Laufe der nächsten Monate sollten ihr folgen. Die Eröffnung kam und ich merkte, daß das Publikum im Club hauptsächlich aus Blackies  bestand. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch nie einen Black-Abend bestritten, meine Mix-Technik war dürftig und viele meiner anwesenden Kollegen schauten mich schon fast mitleidig an, nachdem klar wurde was die Gäste eigentlich hören wollten.

Allerdings hatte ich das irgendwie vorausgeahnt und war somit vorbereitet. Ich hatte Chartlisten auswendig gelernt und mich musikalisch sehr gut eingedeckt. Des weiteren war mein Kollege William Hawk (Lighforce) und ein anderer musikbegeisteter Bekannter namens Steffen hinter mir. Sie brachten mich durch ihre goldrichtigen Hinweise schnell dazu meine anfängliche Unsicherheit zu überwinden. Schliesslich habe ich als ehemaliger Breakdancer schon immer eine besondere Affinität zu Rn B und Hip-Hop. Diese Tipps und das Glück mit einem außergewöhnlich pflegeleichten Publikum arbeiten zu dürfen, haben mich dazu beflügelt die Bude bis um 8:00 Uhr morgens dermassen rocken zu lassen, daß ich plötzlich regelmässig Termine im Fun2000 und in Folge dessen auf einmal Termine für die Disco Bereiche der anderen Funs bekam.

Ich hatte es geschafft quasi von heute auf morgen mein Tanzlokalimage abzulegen und galt nun offiziell als universell einsetzbar. Meine Terminsituation, die schon vorher recht gut war, explodierte förmlich. Eigentlich lief alles fast schon perfekt, aber u.a. durch Hochpreispolitik.und Mismanagement lief es in den GT-Läden immer schlechter. Dazu kam noch dass das Fun Garbsen und Fun Laatzen durch das FUN2000 sehr in Mitleidenschaft gezogen wurden, weil die Gäste ausblieben. Viele fähige Leute aus Personal und Beriebsleitung waren unzufrieden, verliessen Ihre Läden und wurden durch hastig ausgewählte und unerfahrene Leute ersetzt. Der Führungstil bei GT wurde immer unerträglicher. Nach und nach wurden Betriebe verkauft. Erst Garbsen, dann Bad Oeynhausen, schliesslich auch Laatzen und Hameln.